Verschuldenshaftpflicht, Gefährungshaftpflicht, Produkthaftpflicht und vermutetes Verschulden

Einer trägt immer Schuld, aber wer?


Ein Beispiel aus der Praxis: Herr F. parkt sein Auto am Hang und hat selbstverständlich die Handbremse angezogen. Das Handbremsseil reißt jedoch und sein Auto rollt auf ein anderes Fahrzeug. Herr F. haftet nun, obwohl ihn als Fahrer kein Verschulden trifft. Doch ist Verschulden nicht eine Voraussetzung für Haftungsansprüche? Warum genau Herr F. haftet, erfahren Sie im weiteren Verlauf des Artikels.

Verschuldenshaftung § 823 BGB

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Nun, was bedeutet das jetzt genau und wo liegen die Voraussetzungen der Verschuldenshaftung?

• Der Schädiger muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben.
• Er muss ein Rechtsgut verletzt haben (Leben, Körper, Gesundheit oder die Freiheit).
• Die schädigende Handlung muss widerrechtlich gewesen sein.
• Der Schädiger muss deliktfähig sein (siehe hierzu: https://dejure.org/gesetze/BGB/828.html).
• Die schädigende Handlung war adäquat kausal. Was ist das?

Was versteht man unter einem adäquaten Kausalzusammenhang?
Hier ein Beispiel, was alltäglich in den Großstädten passieren kann:
Alfred (16 Jahre) muss heute in die Berufsschule und ist – wie in der Vergangenheit des Öfteren bereits vorgekommen – zu spät. Um es vielleicht doch noch pünktlich zum Unterricht zu schaffen und möglichen Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen, nimmt er eilig die Abkürzung über die Fußgängerzone. Im letzten Augenblick sieht er in der Morgendämmerung die Rentnerin Hildegard und kann nicht mehr richtig ausweichen. Beide stoßen zusammen und Hildegard erleidet bei dem Unfall schwere Knochenbrüche.
Fazit: Die Knochenbrüche von Hildegard lassen sich auf den Zusammenstoß mit dem Fahrrad zurückführen, weshalb der Unfall unter adäquate Kausalität fällt.

Vereinfacht zu sagen ist, wenn die Verletzungen aufgrund des Unfalles entstanden sind und diese darauf zurückzuführen sind, ist die Handlung adäquat kausal.

Warum müssen Sie aber als Halter des Fahrzeugs aus dem Eingangsbeispiel trotzdem und unverschuldet haften? Schließlich ist das Auto rechtmäßig abgestellt worden und es wurde darüber hinaus auch regelmäßigen Wartungen unterzogen. Weil Sie allein aus dem Besitz des KFZ haften und zwar verschuldensunabhängig. Das nennt man dann Gefährdungshaftung.

Die Gefährdungshaftung – gesetzliche Anspruchsgrundlagen

„Bei der Gefährdungshaftung kommt es nicht auf das Verschulden an, sondern es dreht sich um eine erlaubte Tätigkeit, die zwangsläufig zu einer gewissen Gefährdung der Umgebung führt wie z.B. beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges oder Halten von Tieren. Hierbei wird die Widerrechtlichkeit der Handlung oder auch das Verschulden des Schädigers nicht geprüft.“
(Quelle: https://www.juraforum.de/lexikon/gefaehrdungshaftung)

Gefährdungshaftungsarten nach dem BGB:
Haftung des Beherbergungsgastwirts (Hoteliers): Der Hotelier haftet hier für Verlust, Zerstörung oder Beschädigung der von Gästen eingebrachten Sachen. Voraussetzung ist aber die gewerbsmäßige Beherbergung.

  • Gefährdungshaftung nach Sondergesetzen
  • Straßenverkehrsgesetz: Hier haftet der Halter eines Kfz für alle Schäden beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges.
  • Wasserhaushaltsgesetz: Für Schäden durch Verseuchung (z.B. Abwasser, Heizöl…) von natürlichen Gewässern einschließlich des Grundwassers wird gehaftet.
  • Umwelthaftungsgesetz: Die Betreiber bzw. Eigentümer, Pächter, Leasingnehmer bestimmter Anlagen z. B. zur Wärmeerzeugung, Bergbau, Herstellung von Kunstbauten oder Herstellung von Arzneimitteln haften für Schäden, die von der Anlage ausgehen.
  • Produkthaftungsgesetz: Hersteller haften für Sicherheitsmängel, für Produkte, die nach dem 01.01.1990 in privaten Verbrauch kamen. Mehr Infos zur Produkthaftpflicht siehe hier
  • Haftung des Tierhalters für Luxustiere: Als Luxustier bezeichnet man ein wildes Tier oder Haustier, das nicht als Nutztier gehalten wird.

Haftung für Haustiere als Nutztiere nach § 833 BGB Gefährdungshaftung

Der Hundehalter haftet unabhängig von seinem Verschulden für alle von seinem Hund bzw. auch von ihm mitverursachten Schäden. Das ist vom Gesetzgeber bewusst so gewollt, da dieser die Meinung vertritt, dass das Verhalten der Tiere unberechenbar ist und die Tierhaltung immer mit einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter verbunden ist.

Familie Müller hatte sich nach langen Diskussionen entschieden, einen Haushund anzuschaffen. Es wurde ein Labrador namens Barko, der tagsüber an seine Hundehütte angekettet ist. Als ein Versicherungsmakler das Grundstück betritt und dabei zu nahe an der Hundehütte vorbeigeht, stürzt Barko heraus und beißt ihm ins Bein.

Der Tierhalter haftet für vom Tier verursachte Sach- und Personenschäden, sobald das Tier einen Schaden verursacht hat. Unabhängig davon, ob er seine Sorgfaltspflicht erfüllt und den Hund richtig angeleint hat. Der Haftungsanspruch entsteht also, obwohl kein konkretes Verschulden vorliegt.

Würde es sich nicht um einen Haushund, sondern um einen Schäfer- oder Wachhund handeln – also ein Nutztier sein – wäre die Haftungsgrundlage eine andere. Denn bei Nutztieren gilt nicht die oben beschriebene Gefährdungshaftung, sondern die Haftung aus vermutetem Verschulden.

Haftung aus vermutetem Verschulden…

…bedeutet, dass der Schädiger dem Geschädigten nachweisen muss, dass diesen für den Schaden, der entstanden ist, kein Verschulden trifft, und dass selbst, wenn er seine Sorgfaltspflichten nicht verletzt hätte, der Schaden trotzdem genau so eingetreten wäre. Damit man das Thema besser veranschaulichen kann, hier wieder ein Beispiel für die Haftung für den Gebäudebesitzer nach § 836 BGB:

Bei einem leichten Sturm reißt eine Markise aus der Gebäudeverankerung und fällt auf ein vor dem Gebäude geparktes Auto. Ein weiterer Autofahrer fährt über die auf der Straße liegenden Teile der Markise und beschädigt dabei die Autoreifen. Nach § 836 BGB haftet der Besitzer des Bauwerkes für die Personen- und Sachschäden, die durch den Einsturz oder Ablösung von Bauteilen entstehen. Dem Gebäudebesitzer wird ein Verschulden unterstellt, bis dieser nachweisen kann, dass er seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist. Kann dieser Nachweis nicht erbracht werden, so haftet der Gebäudebesitzer für die oben erwähnten Schäden.

Versicherungen sind Rechtsprodukte